Karibik – Februar 2000

Nachdem ich nach meiner Karibikreise im Februar 2000 bald müde wurde, immer wieder „alles“ zu erzählen, entschloss ich mich, einen ausführlichen Bericht zu schreiben. Dies, liebe LeserInnen, ist das Ergebnis. Ich hoffe, Du hast beim Lesen auch so viel Spaß wie ich bei der Reise.

Wien, im März 2000


Einreisen oder nicht einreisen – das ist hier die Frage
Warten ...
Pigeon Island
Marigot's Bay
Erstes Inselspringen
Kaum von zuhause weg, wieder in Schengen ...
Nicht nur Vögel können fliegen
The Saints
Guadeloupe
Gibraltar und andere Geheimnisse des Zollwesens
Inselerkundung
Wir werden überfallen – aber nicht beraubt
Der Kanal
Von Riffen, Friedhöfen und Fischen
Antigua
Heimreise


Einreisen oder nicht einreisen – das ist hier die Frage

Nach fast zwölf Stunden Flug komme ich am späten Nachmittag des 3. Februar endlich in St. Lucia an. Mein Ansinnen, gleich am Flughafen ein Hotel zu suchen (das Segelboot wird erst am nächsten Tag auf der Insel sein), wird von einer Zöllnerin sogar noch unterstützt: „Zuerst fragst Du da hinten am Informationsstand nach einem Hotel, dann bekommst Du Deinen Pass wieder zurück.“

Doch selbst mit gefundenem Hotel bin ich ihr äußerst suspekt. Was tut ein allein reisender, schlecht englisch sprechender Österreicher auf dieser Insel? Ein Segelboot besteigen? Blasphemie! Erst als Miss Einreisebehörde meinen US-Immigration-Stempel (Atlanta, 1998) sieht, wird sie milde. Die erste Hürde ist geschafft.

Doch gleich darauf folgt die Gepäckskontrolle. Dieters Vater hat mir eine kleine Tasche mitgegeben, in der sich unter anderem ein Lüfter für das Boot befand. Natürlich muss ich ebendiese Tasche durchsuchen lassen.
„What's in this bag?“
„Something for the boat. I don't know exactly.“
Wir packen gemeinsam aus.
„Oh, a smoke detector!“
Nun ja, knapp vorbei ist auch daneben. Hätte sie die beiden Metallteile zum Befestigen von Tauen in der Tasche auch noch entdeckt, ich hätte sie ihr wohl als Hanteln verkaufen müssen.

Ein Taxi bringt mich in eine eher ärmere Gegend gleich auf der anderen Seite des Flughafens. Ich beschließe, den obligaten Anruf nach Hause auf morgen zu verschieben (ich muss ja nicht unbedingt herzeigen, dass ich ein sauteures Satellitentelefon mit mir herumschleppe), kaufe mir noch ein wenig zu essen und gehe früh (Ortszeit; für meine innere Uhr ist es schon ziemlich spät) ins Bett. BBC World berichtet über Ausschreitungen bei Demos in Österreich; ich schlafe trotzdem gut.

Warten ...

Am späten Vormittag des 4. Februar fahre ich mit einem Taxi quer durch und über die Insel zur nördlich gelegenen Rodney Bay Marina, wo irgendwann im Laufe des heutigen Tages das Boot eintreffen soll. Wenn ein Tourist mit fragendem Gesicht durch die Marina geht, Tonnen von Gepäck am Rücken trägt und sich auch sonst nicht auskennt, dann gibt es viele gute Menschen, die ihm helfen. Ich werde also direkt zur Verwaltung gelotst: Die müssen es nämlich wissen, wenn das Boot schon da ist. Ist es aber nicht.

Auf einer Bank plaudere ich mit einem älteren Ehepaar aus London. Sind sie schon ganz weg vom Fenster, als ich ihnen von der bereits absolvierten Reise des Bootes erzähle, bleibt ihnen der Mund dann vollends offen stehen, als ich mit den Worten „I'll call them now!“ das Satellitentelefon zücke. Dank bewundernswerter Technik klappt die Verbindung schon beim ersten Mal. Man werde so zwischen 19:00 und 21:00 Uhr eintreffen. Es gebe ein Lokal namens Three Amigos, wo wir einander treffen würden.

Ich habe also noch genug Zeit; Stephen King – The Green Mile – sorgt dafür, dass sie rasch vergeht. An leiblichem Wohl mangelt es dank einiger Lokale ebenfalls nicht, warm & sonnig ist's auch; ich bin also vollstens zufrieden.

Monika und Dieter treffen um 20:30 Uhr im Three Amigos ein, wenig später betrete ich das Boot. Bine und Paul kenne ich schon von früher, Susanne und Klaus sind ebenfalls Gäste, die – wie ich später erfahre – mittlerweile ihren ersten Segeltörn hinter sich gebracht hatten.

Pigeon Island

Ganz im Norden von St. Lucia gab es früher eine Insel namens Pigeon Island, die von den Briten als Befestigung gegen die Franzosen verwendet wurde. Als man die Marina in der Rodney Bay baute, hat man mit dem Aushubmaterial kurzerhand einen besiedelten Landweg zu dieser Insel angelegt. (Und gleichzeitig sich wohl überlegt, dass Touristen sicher gerne Eintritt bezahlen.)

Die niedriger gelegenen Gebiete der Halbinsel sind gepflegt; zwischen den Ruinen der Verteidigungsanlagen findet man eine haupsächlich aus Palmen bestehende Parklandschaft. Auf dem Weg zum Gipfel entdecken wir Lemongrass – das Aroma von frischer Zitrone, das aus einem abgeknickten Halm ausströmt, ist einfach umwerfend. Ebenso wie das Panorama: Im Süden und Osten sieht man die Insel mit der großen Hafenanlage, im Westen nichts (außer Wasser), und im Norden kann man mit etwas Fantasie Martinique im Dunst erahnen.

Marigot's Bay

Am Abend des 5. Februar segeln wir ein Stück nach Süden – in die Marigot's Bay. Vermutlich muss jedes Segelboot, das auf St. Lucia ist, auch in diese Bay fahren. Dicht gedrängt stehen viele Boote in einer herrlichen Bucht mit Palmen und Sandstrand, im Hintergrund erheben sich rund herum Berge. Denkt man sich die Zivilisation weg, zeigt sich hier ein Bild wie in einem Reiseprospekt. Wir denken uns die Zivilisation nicht weg, sondern – ganz im Gegenteil – nutzen sie. Steaks und andere kulinarische Genüsse erfreuen mich ebenso wie einen Teil der Crew, der schon lange kein Fleisch mehr gesehen hat. (Lebensmittel waren auf den vorher besuchten Inseln ziemlich teuer.)

Am nächsten Morgen fahren wir mit dem Schlauchboot an den Strand, um unter Palmen zu frühstücken. Nutella schmeckt auch in der Karibik gut, ebenso wie Mango- oder Guavensaft. Schinken, Käse, etwas Salami und Marmelade runden ein wirklich reichliches Frühstück ab.

Gegen Mittag verlassen Susi und Klaus das Boot, sie werden noch zwei Wochen auf einer weiter südlich gelegenen Insel verbringen. Wir segeln wieder zurück in die Rodney Bay, von wo aus wir am nächsten Tag Richtung Martinique aufbrechen.

Erstes Inselspringen

Am Vormittag brechen wir auf. Fahren wir anfangs noch unter Motor (im Windschatten von St. Lucia), werden wenig später schon die Segel gehisst. Zwanzig bis dreißig Knoten Wind sorgen für entsprechende Geschwindigkeit des Bootes, hohe Wellen für entsprechende Schaukelei und Medikamente gegen Übelkeit für eine abgeschlossene, vollständige Verdauung.

Bald werde ich Zeuge interessenter Wetterfänomene: Während in Europa eine meist geschlossene Wolkendecke für Regen sorgt, sieht man in der Karibik nur kleine Wolken, die nicht einmal besonders hoch sind. Schon von weiter Ferne kann man erkennen, ob man – je nach Windrichtung – in den nächsten Minuten nass werden wird oder nicht. Man kann sich also mental auf einige Sturmböen, etwa zehn Minuten Starkregen und anschließenden Sonnenschein vorbereiten. Diese kleinen Fronten sind auch der Grund für eine von mir noch nie gesehene Anzahl von Regenbögen.

Kaum von zuhause weg, wieder in Schengen ...

Schon in einiger Kilometer (oder eigentlich Meilen, man möge mir diese unseemännische Maßeinheit verzeihen) Entfernung vor Martinique kann man im Wolkenstau der Berge (jeder Meteorologe hätte hier seine Freude) einen Vulkan erkennen. Am Nachmittag des 7. Februar erreichen wir eine Marina im Süden Martiniques. Diese Insel gehört zu Frankreich, daher also auch zu Schengen. Trotzdem lässt man uns problemlos einreisen.

Knapp vor Einbruch der Dunkelheit fahren wir noch zwei Buchten weiter nach Norden. Obwohl das Meer hier mehrere Meter tief ist, kann man den Grund klar und deutlich erkennen. Mindestens 25 °C warmes Wasser lädt zum ausgiebigen Badevergnügen in annähernd unberührter Natur ein. Aus naheliegenden Gründen legen wir einen Tag Segelpause ein.

Mittlerweile ist der 9. Februar angebrochen. Gemütlich geht's weiter nach St. Pierre, einem kleinen Hafen im Norden von Martinique.

Nicht nur Vögel können fliegen

Am 10. Februar verlassen wir Martinique in Richtung Dominica. Knapp bevor wir aufs offene Meer kommen, treffen wir auf einen Schwarm von wohl um die hundert Delfinen. Offensichtlich sind wir kein interessanter Spielpartner für sie, denn wir müssen ihnen immer wieder nachfahren, um ein paar Fotos schießen zu können. Selbst Monika und Paul, die sich schwimmend den Delfinen nähern wollen, schaffen keinen tiefergehenden Kontakt. Allerdings soll es unter Wasser ziemlich laut sein. Und gelegentlich springt auch ein Delfin etliche Meter hoch aus dem Wasser, was unbeschreibliche Eindrücke garantiert.

Doch nicht nur Delfine können fliegen. Hielt ich die Geschichten von Flugfischen ursprünglich noch für Seemannsgarn, so werde ich nun eines besseren belehrt. Manchmal fährt das Boot direkt in einen Schwarm dieser kleinen Fische, die dann fliegend flüchten. Oftmals legen sie dabei bis zu fünfzig Meter zurück, rasen in atemberaubendem Tempo knapp über der Wasseroberfläche über die Wellen dahin. Manchmal – leider viel zu selten – sehen wir auch große Flugfische mit bis zu 40 cm „Flügelspannweite“.

Nach einigen Stunden des Wellenritts erreichen wir Dominica. Wir bleiben hier nur über Nacht, da uns in wenigen Tagen auf Guadeloupe ein neuer Kühlschrank erwartet.

The Saints

So segeln wir schon am 11. Februar auf die Saints, das sind einige kleine Inselchen vor Guadeloupe. Sehr zur Freude meines Magens ist die Überfahrt sehr ruhig. Die Bucht, in der wir – und viele andere – ankern, ist es nicht ganz so. Ziemlich viel Wind auch auch leichte Wellen machen das Schlauchbootfahren zu einem wässrigen Vergnügen.

Das kleine Städtchen in der Bucht ist touristisch aufgeschlossen. Das ist auch nicht verwunderlich, da neben den vielen Segelbooten auch zwei große Kreuzfahrtschiffe in der Bucht liegen. Gleichzeitig mit der Abfahrt der beiden Schiffe werden im Ort auch die Gehsteige hochgeklappt. Vorher konnten wir – nach einem langen Landspaziergang – aber noch richtig gute Cocktails ergattern.

Am nächsten Morgen starten wir dann Richtung Guadeloupe.

Guadeloupe

Lange dauert die Überfahrt von den Saints nach Guadeloupe. Einerseits macht uns der sehr ungünstig wehende Wind zu schaffen, andererseits müssen wir nicht zum Südzipfel der schmetterlingsförmigen Insel, sondern in die Mitte, nach Pointe a Pitre. Das – ebenso wie Martinique zu Frankreich gehörende – Guadeloupe ist eigentlich eine Doppelinsel: Die westliche Halbinsel ist geologisch sehr jung, vulkanisch aktiv und großteils von Regenwald bewachsen. Der östliche Teil hingegen ist flach mit einer eher steppenartigen Vegetation. Dazwischen befindet sich ein mit Mangroven bewachsener Kanal, der an seiner seichtesten Stelle weniger als zwei Meter tief ist.

Nachdem wir uns von der anstrengenden Überfahrt ausgiebig erholten, gehen wir am Nachmittag des 13. Februar in den Stadtkern von Pointe a Pitre. Von der Marina aus sind das um die zwei Kilometer, die zu einem guten Teil durch ein eher heruntergekommenes Stadtviertel führen. Allerdings versichern uns einige große Schilder (wenn wir diese fremden Wörter richtig interpretiert haben), dass hier in naher Zukunft ein Stadterneuerungsprogramm in Angriff genommen werden soll.

Pointe a Pitre ist das Paradebeispiel für den Zusammenhang zwischen sonntäglicher Ladenöffnung und Menschenanzahl. Vereinfacht ausgedrückt: keine Öffnung, keine Menschen. Wir gehen durch annähernd leere Gassen, treffen ganz selten auf Einheimische oder gar Touristen und trainieren unsere Vorstellungsgabe mit imaginären Bildern jener Warenvielfalt, die hinter heruntergezogenen Rollbalken in den Geschäftslokalen auf den nächsten Tag wartet. Im einzig offenen Lokal der ganzen Stadt schlürfen wir ein paar eiskalte Getränke. Der Blick auf den großen Platz gleich nebenan ist zwar schön, aber irgendwie fehlen die Menschen. Erst als wir auf dem Rückweg in die Marina in einem klitzekleinen Einheimischenlokal eine Rast machen, bemerken wir, dass wir nicht gänzlich alleine sind in Pointe a Pitre.

Gibraltar und andere Geheimnisse des Zollwesens

Tags darauf mieten Monika und Dieter ein Leihauto. Wir wollen in den nächsten Tagen eine Inselrundfahrt machen. Im Moment aber benötigen wir es für die Suche nach dem Kühlschrank, der bereits irgendwo auf der Insel sein sollte. Die Suche startet vormittags beim lokalen Partner von FedEx. Der Kühlschrank sei bereits im Zoll, aber man müsse Zoll dafür bezahlen. Bloß ist das Boot, für das der Kühlschrank gehört, in Gibraltar gemeldet. Und das ist bekanntlich zollfrei. Dieter und Monika müssen dies zuerst der Zollagentin beibringen, diese gibt das gänzlich neue Wissen dann an den Zöllner weiter. Geliefert werde irgendwann am nächsten Tag – zwar direkt auf das Boot in der Marina, eine genaue Uhrzeit zu nennen, ist man aber nicht in der Lage. Dafür freut sich die Zollagentin über fast 1000 Schilling für nicht erbrachte Dienstleistungen.

Inselerkundung

Am späteren Nachmittag fahren wir mit dem Auto ein Stück auf den älteren Teil der Insel. Ich bin besonders glücklich, darf ich nun nämlich endlich wieder ein nichtwackelndes, landgestütztes Fahrzeug steuern. In einer kleinen Ortschaft kaufen wir uns ein Grillhenderl, das wir auf einer Steinmole am Strand verzehren. Das Geschmackserlebnis exotischer Wyrze, einhergehend mit Mangosaft und die in rötliches Licht eines Sonnenunterganges getauchten Palmen am Sandstrand werden mir wohl lange in Erinnerung bleiben, wenn ich an kalten Wintertagen in Wien friere.

Nachdem die Sonne unter dem Horizont verschwunden ist, trinken wir noch ein Gläschen Rotwein in einem Lokal an der Strandpromenade. Der mit annähernd arktischen Temperaturen servierte Wein entfaltet schon bald ein recht gutes Aroma. Und wir sind hier nicht die einzigen Touristen: „Prost, Laundsleit!“ ruft uns ein Oberösterreicher vom Nachbartisch aus zu.

Am nächsten Tag fahren Bine, Paul und ich auf den jüngeren Teil der Insel. (Monika und Dieter müssen leider auf den Kühlschrank warten.) Wir benutzen dabei aber teilweise nicht die Hauptstraßen, sondern kleinere Nebenstraßen. Man bekommt dabei einfach mehr von Land & Leuten zu sehen. Nach einer kleinen Wanderung entlang eines Flusses zu einem Wasserfall im Regenwald fahren wir zum jederzeit ausbrechen könnenden Vulkan.

Entlang kleiner Wege gehen wir durch den Regenwald. Manchmal steigt uns der Geruch von Schwefel in die Nase; einige warme Quellen ergießen sich in ein wahrscheinlich durch Eisen rötlich gefärbtes Bachbett. Die Vielfalt der „Wohnzimmerpflanzen“ ist schier unermesslich.

Wir werden überfallen – aber nicht beraubt

Am Abend gehen wir wieder nach Pointe a Pitre. Das vor zwei Tagen gegessene Henderl ist uns noch gut in Erinnerung; wir wollen diesen kulinarischen Genuss wiederholen. Als wir nach dem Essen die Sitzbank auf dem großen Platz (diesmal ist er nicht so menschenleer) verlassen, werde ich plötzlich von einem Einheimischen am Leiberl gepackt und mit mir unverständlichen (französischen) Worten bedacht. Ein zweiter übersetzt: „Give him money or he will hurt you.“ Schön. Bloß habe ich kein Geld mit, was gleich wieder ins Französische übersetzt wird.

Ehe ich mich's versehe, liege ich plötzlich auf dem Boden. Unbewusst habe ich beim Sturz das Geldbörsel in meiner Hose festgehalten, was dazu führt, dass nun sowohl der potentielle Dieb als auch ich in meiner Hosentasche an der Geldbörse ziehen – für Außenstehende wohl ein lustiges Bild.

Paul kommt mir aber gleich zu Hilfe. Nach kleinen Rempeleien ziehen die beiden plötzlich mit freundlichen Worten („You are friend!“) ab. Bine hatte in der Zwischenzeit zwei auf einer anderen Bank sitzende Einheimische um Hilfe gebeten. Diese quittierten dieses Ansinnen aber nur mit wenig Hilfsbereitschaft: „The police is over there.“

Zwar ist alles noch einmal gut gegangen (wohl auch dank der Unfähigkeit der beiden Diebe), doch haben wir für heute genug; wir gehen rasch zu einem Taxi und fahren zurück in die Marina.

Der Kanal

Mittlerweile ist der 16. Februar angebrochen. Nachdem wir das Leihauto zurück gegeben und viele Nahrungsmittel gekauft hatten, fahren wir ein paar Meilen bis knapp vor Beginn des Kanals, der zwischen den beiden Halbinseln verläuft. Dieser ist nicht besonders breit und vor allem nicht besonders tief. Als der Tiefenmesser nur mehr 1,60 m anzeigt, bleibt das Boot auch kurz im Schlamm stecken. Doch ein kräftiger Motor befreit uns rasch wieder aus dieser misslichen Lage.

Wir verbringen die Nacht vor der Autobahnbrücke, die täglich um 4:30 Uhr hochgezogen wird, um Segelschiffe passieren zu lassen. Noch bei ziemlicher Dunkelheit fahren wir in den Kanal; links und rechts können wir Mangroven in der Finsternis erahnen. Wir haben ständig den Tiefenmesser im Auge, der aber beruhigende Werte liefert: Meist ist das Wasser tiefer als drei Meter; wir vermuten, dass man den Kanal in den letzten Jahren ausgebaggert hat.

In der ersten Morgendämmerung vernehmen wir den Lärm eines zum Start rollenden Flugzeuges. Alles starrt gebannt in eine Richtung, bis wir zwischen den Mangroven ein Flugzeug sehen – ganz knapp vor dem Kanal. Wir befürchten schon, richtiggehend umgeweht zu werden, wenn das Flugzeug startet. Davor bleiben wir verschont – nicht aber vor dem großen Lärm.

Wir ankern in sicherer Entfernung zum Flughafen in einer Art „Mangrovengarage“, um noch ein wenig weiter zu schlafen.

Von Riffen, Friedhöfen und Fischen

Im Laufe des Vormittags werden wir plötzlich von einer Unmenge von winzig kleinen Mücken regelrecht angegriffen, was uns zum sofortigen Aufbruch zu einem Riff nördlich des Kanals zwingt. Monika und Dieter schnorcheln, laut ihren Berichten ist aber nicht besonders viel zu sehen.

Wir segeln also bald weiter zu einer kleinen Bucht im Nordosten von Guadeloupe. Der obligatorische Landgang führt uns auch zum örtlichen Friedhof. Oftmals sind die Gräber hier keine Gräber, sondern verflieste Hütten, die manchmal sogar schöner sind als die Häuser, die die Menschen zu ihren Lebzeiten bewohnen. Manchmal wurden die Gräber einfach nur mit einer Blechwanne eingefriedet, manchmal fehlt auch das; man muss also aufpassen, dass man nicht einfach über ein Grab geht.

Am Rückweg kaufen wir noch Fisch für das Abendessen. Dieter erzählte, dass sie bei der Atlantiküberquerung immer Fische gefangen hätten; zwischen den Inseln ist das dann aber nicht mehr gelungen. Oftmals hing die Leine mit dem Köder sinnlos ins Wasser, nicht einmal der sprichwörtliche Schuh biss an.

Antigua

Am 18. Februar ist die letzte Etappe meiner Reise angebrochen – wir segeln nach Antigua. Dank wirklich starkem Wind ist die ziemlich große Distanz in wenigen Stunden überwunden, wir kommen so gegen 16:00 Uhr im English Harbour an. Wir stellen bald fest, dass der Hafen in Wirklichkeit ein Museumstädtchen ist, für dessen Besuch Unmengen von Touristen, die von Kreuzfahrtschiffen kommen, Eintritt zu bezahlen haben.

Heimreise

Nachdem ich dem Zöllner mein Flugticket gezeigt hatte (sonst hätte er mich nicht von der Crewliste gestrichen), fahre ich schon ziemlich lange vor dem Abflug mit dem Taxi zum Flughafen von Antigua. Es war mir leider nicht möglich, den Flug zu bestätigen, und ich wollte nichts riskieren. Außerdem wollte ich mich nach einem früheren Flug von London nach Wien erkundigen. (Leider habe ich schon den frühesten Flug.) Ich bereite mich nun also schon geistig auf neun Stunden Warten in London-Gatwick vor.

Doch auch diese Zeit geht rasch vorüber. Gute zwei Kilogramm Sunday Times helfen dabei ungemein. Als ich nach mehr als dreißig Stunden ohne nennenswerten Schlaf in einem Flugzeug der Lauda Air Schweinsrücken mit Speckfisolen esse und im Kurier ein Bild vom wohlgefüllten Heldenplatz sehe, weiß ich, dass ich sehr gerne wieder heim komme.

Ob ich wieder eine solche Reise machen würde?
Jederzeit. Aber nicht morgen.